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Belletristik-Tipps des Monats

Multi- oder auch interkulturelle Literatur genannt, steht im Zentrum unserer aktuellen Leseempfehlungen. Es sind Neuerscheinungen von Autor*innen, welche aus einer von mindestens zwei Kulturräumen geprägten Sichtweise schreiben. Schweizer*innen, die im Ausland leben und Schriftsteller*innen anderer Kulturen, die heute in der Schweiz leben. Spannend anders, denn letztlich enthält dadurch jeder Text einen interkulturellen Aspekt, wie ihn das Leben schreibt.


Im Schilf

Hansjörg Schertenleib
Limmat Verlag, 2020

«Im Schilf» ist ein bewegender Roman über die Beziehung zwischen Vätern und Söhnen, über Schuld und Versöhnung, über Liebe und Verlust.

Beim Angeln auf dem Sihlsee erfährt Viktor vom Tod seines Vaters, mit dem er kaum gute Erlebnisse verbindet, da dieser ihn ein Leben lang ablehnte und demütigte.

Die Nachricht weckt Erinnerungen an seinen verstorbenen Schwiegervater Max, mit dem er eng befreundet war und den er längst an die Stelle seines leiblichen Vaters gesetzt hatte. So kommt Viktor jetzt auch dieser andere Abschied in den Sinn und den damit verbundenen Roadtrip durch Irland, den er mit seiner Ex-Frau Charlotte unternommen hatte.

Doch auch der echte Vater ruft nach einer Geschichte. Viktor entschliesst sich, ihm eine zu geben und erfindet Episoden aus dessen Vergangenheit als Verdingkind, um ihn besser zu verstehen und sich gleichzeitig von ihm zu befreien.

Hansjörg Schertenleib erzählt diese Familiengeschichte mit viel Einfühlungsvermögen, Humor und Spannung. Er wechselt geschickt zwischen den Zeitebenen und Orten und schafft lebendige Charaktere, die einem ans Herz wachsen. Der Roman verbindet Autobiografisches mit fiktiven Elementen und schafft so eine authentische und berührende Erzählung. “Im Schilf” ist ein Roman, der zum Nachdenken anregt und emotional berührt.

Ausleihbar als Buch in der Stadtbibliothek Baden

Am Donnerstag, 25. Mai 2023 liest Hansjörg Schertenleib aus dem Buch in der Stadtbibliothek Baden. Mehr Information


Der Vogel zweifelt nicht am Ort, zu dem er fliegt

Usama Al Shamani
Zürich, Limmat Verlag, 2022

Dafer Schiehan hat es geschafft. Trotz negativen Asylbescheids hat er Deutsch gelernt, eine Arbeit gefunden, eine Aufenthaltsbewilligung erhalten. Er hat eine kleine Wohnung am Rande von Weinfelden und eine Arbeit in Kreuzlingen als Tellerwäscher. Aber eigentlich ist er Akademiker. Eigentlich ist er ein politischer Flüchtling, geflohen vor Saddams Schergen wegen eines missliebigen Theaterstücks. Hals über Kopf geflohen, mit der finanziellen Unterstützung seiner Familie. Als der Betrieb ihm Ferien verordnet wegen Umbaus, sitzt er in seiner Wohnung, schaut aus dem Fenster und grübelt. Seinen Eltern hat er nie gesagt, was er arbeitet. Auch als er es nicht mehr ausgehalten hat in seinem Exil und zurückgereist ist zu seiner Familie in den Irak, ist er im Vagen geblieben. Warum hat er ein schlechtes Gewissen? Wovor hat er Angst? Wie soll es weitergehen? Auf der Flucht vor seiner inneren Unruhe findet er sich wieder im Wald.

In seinem neuen Roman erzählt Usama Al Shahmani von den Verwüstungen einer Kindheit und Jugend in Diktatur und Krieg und dem Versuch, traumatische Erlebnisse hinter sich zu lassen.

Ausleihbar als Buch in der Stadtbibliothek Baden


Les billes du Pachinko | Die Pachinko-Kugeln

Elisa Shua Dusapin
Paris, Gallimard, 2018


Die 29-jährige Claire verbringt den August in Tokio bei ihren Grosseltern. Ihr Großvater betreibt dort ein Pachinko, eine japanische Art von Spielautomaten, die an Flipperautomaten erinnern. Claire ist aus der Schweiz angereist, um ihre Großeltern wieder in ihre Heimat Korea zu bringen. Seit dem Krieg, der das Land vor 50 Jahren in zwei Hälften teilte, waren sie nie wieder dort gewesen. Aber wollen sie das überhaupt? Bis sie sich zu dieser Reise entschließen können, kümmert sich Claire um Mieko, ein japanisches Mädchen, dem sie Französisch beibringt. Je länger sie bleibt, desto mehr verschwimmen die koreanische, japanische und europäische Kultur ineinander und Claire muss ihren ganz eigenen Weg finden.

Elisa Shua Dusapin erforscht in diesem Roman die Entwurzelung und die von der Ge-schichte beschädigten Bindungen. Sie versteht es meisterhaft, die Ambivalenz der Familienbeziehungen und die grausamen Missverständnisse zu beschreiben, die mit einer tiefen Verbundenheit einhergehen. Mit ihrem nüchternen und poetischen Schreibstil enthüllt sie das Innere ihrer Figuren und lässt uns in eine Atmosphäre eintauchen.

Die französisch-koreanische Autorin wurde 1992 in Frankreich geboren und lebt heute in der Westschweiz. Sie studierte am Schweizerischen Literaturinstitut. Mit ihrem Debütroman «Hiver à Sokcho», einer Beziehungsgeschichte zwischen zwei Kulturen, gewann sie zahlreiche Preise.

Ausleihbar als Buch und eBook in deutscher und französischer Sprache


Le strade oscure

Andrea Fazioli
Milano, Guanda, 2022


Jeden Tag im Morgengrauen überqueren Männer und Frauen die Grenze zwischen Italien und der Schweiz, um zur Arbeit zu gehen. Man nennt sie Grenzgänger, und es sind Zehntausende. Ernesto Magni ist einer von ihnen. Sein Leben scheint ein Leben wie jedes andere zu sein, bis eine abrupte Entlassung und eine nie akzeptierte Trennung eine hässliche Wendung nehmen. Elia Contini, ein kleiner Privatdetektiv, der in den Tessiner Bergen lebt und, wenn er nicht arbeitet, die Welt mit Ironie und Ernüchterung beobachtet, wird in die Affäre verwickelt. Mit all seinen existenziellen Entscheidungen landet Contini in einem Schattenland, das von der Welt der Grenzgänger bis zu der der Unternehmer reicht, inmitten von Korruption, Gewalt und Chaos. Ein Krimi, der in die Psychologie der Protagonisten und Co-Protagonisten eintaucht und eine Geschichte von sexueller Belästigung und wirtschaftlichem Missbrauch, aber auch Ausbrüche von Liebe, Zärtlichkeit und Intimität verfolgt. 

Andrea Fazioli lebt in Bellinzona, in der italienischen Schweiz. Seine Bücher und Kurzgeschichten sind in zahlreichen Anthologien, Zeitungen, Zeitschriften und Verlagen in verschiedenen Ländern erschienen und mehrfach ausgezeichnet worden. Der äusserst vielseitige Autor betätigt sich auch als Journalist und Dozent.

Ausleihbar als Buch in italienischer Sprache in der Stadtbibliothek Baden
Andere Bücher aus der Reihe um Privatdetektiv Elia Contini sind in deutscher Sprache vorhanden.


Mr. Goebbels Jazz Band

Demian Lienhard
Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main, 2023


Berlin, Frühjahr 1940. Auf Beschluss von Joseph Goebbels wird für den Auslandsradiosender eine Band gegründet, die internationale Bekanntheit erlangt. Die besten europäischen Musiker spielen im Dienst der NS-Propaganda wortwörtlich um ihr Überleben. Der Erfolg »an der Front im Äther« soll dokumentieren werden. Der dafür ausgewählte Schweizer Schriftsteller Fritz Mahler findet sich im Zuge seines Auftrags, einen Propagandaroman zu schreiben, in Berliner Clubs und illegalen Jazzkellern wieder, trinkt zu viel Cointreau, verzettelt sich in seinen Recherchen und muss nicht nur die Skepsis der Musiker überwinden, sondern auch seine gefährlichen Auftraggeber über das Vorankommen seines Auftrags täuschen.

Ausleihbar als Buch in der Stadtbibliothek Baden


Scheherazades Erben

Mohammadi, Hussein
Luzern, Edition Bücherlese, 2022


Der Roman beginnt mit den Brüdern Eshagh und Ahmad, die mit dem Auto von ihrem kleinen Dorf nach Kabul fahren. Eshagh ist ein Fundamentalist, einer, der sein radikales Islamverständnis um jeden Preis durchsetzen will. Sein Sohn Nabi kommt ganz nach ihm: Er ist ein gewalttätiger Choleriker, vor dem sich vor allem die Frauen im Dorf fürchten. Ausgerechnet er will Ahmads Tochter Masomah heiraten.

Doch Masomah hält wenig von den traditionellen Rollenvorstellungen, wonach Frauen hinter dem Herd bleiben und sich auf der Strasse unter der Burka verstecken sollen, und ihre Haltung hat sie ihrem Vater Ahmad zu verdanken. Er hat ihr Lesen und Schreiben beigebracht und sie gelehrt, Dogmen zu hinterfragen. Doch nun ist Masomah zusammen mit ihrem Freund vor der Heirat mit Nabi nach Kabul geflüchtet. Eshagh kann das nicht dulden. Er sieht seine Familienehre verletzt und will beide töten, und natürlich erwartet er, dass Ahmad ihm dabei hilft.

Von dieser Kernerzählung aus wechselt Mohammadi zu anderen Menschen und ihren Geschichten, sobald deren Lebenswege sich mit der Erzählung der Hauptprotagonisten kreuzen. Mit atemberaubender Leichtigkeit gelingt es Mohammadi, den Leser nicht nur in die Leben dieser so unterschiedlichen Menschen eintauchen zu lassen, sondern er zeichnet ganz nebenbei noch ein komplexes aber stets greifbares Bild eines immer wieder vom Krieg erschütterten, zutiefst gespaltenen Landes und seiner jüngsten Geschichte.

Ausleihbar als Buch in der Stadtbibliothek Baden

Anlässlich des Nationales Flüchtlingstages liest der Autor am 16. Juni 2023 in der Stadtbibliothek Baden. Mehr Information

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